Es heißt, dass wir, bevor wir die höchste Verwirklichung erreichen, jede wichtige menschliche und zwischenmenschliche Erfahrung einmal gemacht haben müssen. So ähnlich, um das Abitur zu bestehen, muss man alle möglichen Erfahrungen vorher gemacht haben, Integralrechnung, Infinitesimalrechnung, Differenzialrechnung, Wahrscheinlichkeitsrechnung, das Elementesystem, und am Reck und am Barren. Ich weiß nicht, ob man das heute noch muss. Und gegen einen Fußball muss man auch noch treten. Also, so vieles muss man heutzutage machen, um das Abitur zu bekommen. Und vieles ist nicht deshalb, weil man was falsch gemacht hat, sondern gehört zum Lehrplan. Deshalb, oft die Frage ist: „Was habe ich falsch gemacht, dass ich die Erkrankung bekomme?“ Diese Betrachtungsweise führt oft nicht weiter. Es könnte sein, dass das ist. So ähnlich wie man ja auch Strafarbeiten – ich weiß nicht, ob es das heute noch gibt, aber zu meiner Zeit haben das Schüler bekommen. Strafarbeiten, wenn man was nicht so gut gemacht hat. Aber wenn man sehr gut war, hat man Zusatzaufgaben gekriegt. Das hieß dann nicht Strafarbeiten, sondern Zusatzaufgaben. Dann hat man nachher noch fünf Kasperstempel darunter gekriegt und dann wurde gesagt: „Beim nächsten Mal machst du das noch zusätzlich.“ Also, man kann größere Aufgaben kriegen, entweder indem man was falsch macht oder indem man etwas besonders gut macht. Und wir wissen jetzt nicht, im wievielten Leben wir sind und welche Erfahrung dran ist. Wir können aber davon ausgehen, dass jede Erfahrung ihren Sinn hat, auch wenn wir es in dem Moment nicht erfahren. Diese Überzeugung kann man manchmal Menschen vermitteln, wo man ihnen sagt: „die Erfahrung, die du jetzt machst, ist eine wertvolle und eine wichtige. In dem Überzeugungssystem, aus dem ich komme, heißt es, dass Krankheit auch einen Sinn hat, nämlich Menschen bestimmte Erfahrungen zu geben.“ Und vor diesem Hintergrund haben auch schwierige und schmerzhafte Erfahrungen ihren Sinn. Vor diesem Hintergrund kann auch ein gehandicaptes Leben seinen Sinn machen. Vor diesem Hintergrund kann auch Hilfsbedürftigkeit einen Sinn machen. Auch die Notwendigkeit, gegen seine Überzeugung sich jetzt diesen Ärzten auszuliefern und sich aufschneiden zu lassen, kann auch einen Sinn machen, dass man lernt, auch festgehaltene Meinungen mal loszulassen, wenn nötig. Das kann ein kleiner Subsinn sein dieses großen Sinns, den man nicht erfahren wird. Und oft könnt ihr damit Menschen auch helfen, dass ihr selbst diese Überzeugung habt. Eine demütige Überzeugung, nicht im Sinne von, „du wirst schon noch sehen, wofür es gut ist“, sondern im Sinne von: „In meinem Weltbild glaube ich daran und ich vermute, dass das auch bei dir so ist. Ich kann dir nicht sagen, was der Sinn ist, und wenn es jemand wissen würde, wärst du es selbst. Wenn du es jetzt nicht weißt, von meinem Bezugssystem aus, musst du es auch gar nicht wissen, in dem Moment, in dem du es erlebst, machst du schon das Richtige.“ Ich muss aber zugeben, es sagt sich leicht, aber ich kann mich erinnern, mal so eine Mutter vor mir gehabt zu haben, metastasierter Brustkrebs, Kind elf Jahre, alleinerziehende Mutter. Und metastasierter Brustkrebs, vor fünfzehn Jahren als das war, war das Todesurteil. Und sie hatte schon zwei Jahre Yoga gemacht und war auch spirituell. Sie hat gesagt: „Für mich ist das ja alles kein Problem, aber meine Tochter.“ Es gab dann noch ein halbes Happy End. Der Vater, der jahrelang die Tochter nicht hat sehen wollen, hat sie dann doch gesehen und hat zu seiner Tochter ein tolles Verhältnis aufgebaut, so dass dann, als die Mutter gestorben ist… Es ist auch zum Kinderyoga gegangen, das ist dann noch ein paar Mal dort hingegangen, es schien irgendwie mit der Situation umgehen zu können. Und der Vater hat es mindestens behauptet: „Ich kümmere mich darum und es läuft gut.“ Und die Tochter hatte offensichtlich eine enge Beziehung zum Vater und eine vertrauensvolle, also keine ängstliche. Aber das sind dann schon Momente, wo man auch manchmal überlegt, muss das mit dem Karma so sein?
– Fortsetzung folgt –
Dies ist Teil 15 einer unbearbeiteten Niederschrift eines Mitschnitts eines Vortrags mit Sukadev Bretz im Rahmen einer Yogalehrer Weiterbildung bei Yoga Vidya Ashram Bad Meinberg. Für genauere Erklärungen der Sanskrit Ausdrücke kannst du nachschauen im Yoga Wiki. Hier ein paar weiterführende Links:
- Seminare zum Thema Ayurveda
- Seminare zum Thema Yogatherapie
- Seminare mit Sukadev
- Yogatherapie Ausbildung